Kalomo, 15.11.2010
Reisen bildet und welcome back in Kalomo
Vier Wochen lang habe ich nicht mehr "gebloggt" ("nicht mehr geschrieben" schreibt man ja neuerdings nicht mehr), was daran liegt, dass ich auf der großen Reise einfach ständig Reizüberflutet war. Außerdem gibt es so viel zu Schreiben gibt, dass ich gar nicht weiß, wo anfangen... Na ja, vielleicht finde ich Zeit im Zug nach Tansania.
Nochmal zur Erinnerung:
Es ging mit einem „Overland-Truck“ und 19 anderen Reiselustigen (18 Frauen, 1 Mann!!) Richtung Südafrika.
Unsere erste Station war Botswana, wo wir uns den Chobe-Nationalpark und das Okavango-Delta angeschaut haben. Mit viel Wildlife, ruhigen Flussfahrten und das alles in herrlichster Landschaft.
Danach ging es weiter nach Namibia. Um nur einige Highlights zu nennen: Spitzkoppe, Fish River Canyon, Swakopmund, Etosha Nationalpark und Soussuvlei mit den welthöchsten und beeindruckensten Sanddünen, die ich je gesehen habe.
Das letzte Land, das wir erkundet haben, war Südafrika – ein Eintritt in eine andere afrikanische Welt: Eine westlich dominierte und hochentwickelte. Auch Südafrika hat uns oft den Atem geraubt – die Landschaft ist einfach fantastisch!
Unsere letzte Station war Kapstadt, wo sich unsere Wege getrennt haben und ich noch ca. eine Woche verbracht habe, um Großstadt Luft zu schnappen, den Tafelberg zu besteigen, mir die Townships und Robben Island anzuschauen und an der schönen Waterfront noch fehlende Wandersachen für die geplante Kilimanjaro-Besteigung zu besorgen.
Die Reise hat mir wieder neue Einblicke in diesen wunderschönen, besonderen und bewegenden Kontinent gebracht. Ich habe zum ersten Mal die Klicklaute der San gehört, bin die Spitzkoppe bei 40 Grad raufgeklettert, habe zum ersten Mal Löwen und Nashörner in freier Wildbahn gesehen, war betroffen über die Nachwirkungen der Apartheid und der daraus resultierenden Townships in Südafrika, erstaunt über die guten Straßen , habe das Essen genossen und neue Freunde gewonnen.
Zwischenzeitlich hat in Sambia die Regenzeit eingesetzt. Ich habe Kalomo bei ca. 40 Grad und trockener Hitze verlassen und erfahre jetzt Schwüle, Gewitter und Regen. Das ganze Land ist etwas grüner und wenigstens ab und zu weht ein kühleres Lüftchen. Bald wird es auch mehr Obstauswahl geben. Die Papayas und Mangos (auch die in meinem Garten) sind schon richtig groß und müssen nur noch Reifen. Darauf freue ich mich jetzt schon!
Richtig schwere Regenfälle habe ich seitdem noch nicht erlebt, allerdings die Nachwirkungen der Gewitter während meiner Abwesenheit: Nach meiner Ankunft gab es kein Wasser und der Strom war aufgrund starker Stürme mehrere Tage zuvor ausgefallen. Mein Haus war voller Sand und Staub und toter Insekten, sodass erst einmal Schadensbegrenzung angesagt war.
Ich hatte auch den Eindruck, ganz Kalomo weiß, dass ich lange verreist war. Alle haben gefragt, wo ich denn so lange war und wie es mir auf der Reise ergangen ist. Sogar die Ticketverkäufer meiner Lieblings-Busgesellschaft Mazhandu haben mich geherzt und gedrückt.
Auch meine Kollegen haben sich alle sehr gefreut, mich wiederzusehen und umgekehrt war es genauso.
Der Chief hat mir dann gleich eröffnet, dass wir am nächsten Tag nach Zimba, zu unserem „Sub-Center“ aufbrechen, um dort das Full-Council-Meeting abzuhalten.
Diesmal konnte ich mich auch nicht davor drücken, im anliegenden Guesthouse zu übernachten. Ein Anstrich, saubere Toiletten, funktionierende Armaturen und Moskitonetze ohne Riesen-Löcher: Wunschdenken.
Das ist das zweite Full-Council-Meeting, an dem ich bisher teilgenommen habe und ich war – im Gegensatz zum letzten Mal - nicht ganz so planlos. Allerdings fällt es mir immer noch schwer, die Rituale dieses „Stadtrat-Meetings“ nachzuvollziehen und ab welchem Zeitpunkt eine Entscheidung getroffen ist, geht immer noch an mir vorbei. Sehr formell, das Ganze. Als ich meinen Sitznachbarn mit in die Tagesordnung habe schauen lassen, kam gleich ein Zettelchen angeflogen, dass dies bitte zu unterlassen sei.
Zur Eröffnung wird erst die sambische Hymne gesungen (die übrigens sehr schön ist), gebetet und dann hält der Chairman die Eröffnungsrede.
Es nehmen, außer den gewählten Stadtratsmitgliedern und uns Council-Managern auch eingeladene Hilfsorganisationen teil, Repräsentanten von städtischen Einrichtungen und Wirtschaftsunternehmen.
Meine Arbeit geht voran, aber vor dem Hintergrund, dass mir nur noch sechs Wochen bleiben, natürlich nicht schnell genug.
Die Mitarbeiterbefragung will präsentiert werden, die Appraisals sind noch in der Pipeline, es müssen Grundsatzentscheidungen zur Policy gefällt werden etc.
Dazu habe ich meinen Chef, den C.S. dazu ermutigt, am Freitag ein Management-Meeting durchzuführen.
Auch die Distribution der Stellenbeschreibungen zieht sich schon seit Wochen. Wenn ich wirklich nicht immer dahinter bin, passiert nichts.
Die Mitarbeiterbefragung hat übrigens ein sehr gemischtes Bild ergeben.
Während der Befragung war ich mit diversen Herausforderungen konfrontiert:
- Manche Mitarbeiter können offensichtlich nicht lesen und schreiben und haben somit die Fragen nicht verstanden (alle Fragen wurden vorher in Tonga, die regionale Sprache übersetzt)
- Viele Mitarbeiter trauen der Zusicherung von Anonymität und Vertraulichkeit nicht. Ich wurde nach fast jedem Meeting gefragt, wo man denn seinen Namen einzutragen hat, auch wenn ich vorher genau erläutert habe, dass die Umfrage streng vertraulich behandelt und nur von mir durchgeführt wird.
- Die meisten Kollegen haben noch nie in ihrem Leben bei einer Umfrage mitgemacht und waren mit dem Bewertungssystem alles andere, als vertraut.
Konsequenz: Ich musste einige Feedbackbögen leider als ungültig erklären, da das Ergebnis sonst alles andere als repräsentativ gewesen wäre.
Um eine höchstmögliche Teilnahmequote zu erreichen, habe ich die Umfrage im Rahmen von Department-Meetings durchgeführt und mit Milambo zusammen das Procedere in Englisch und Tonga erklärt.
Im Anschluss hatten alle Kollegen genügend Zeit, die Fragebogen auszufüllen.
So habe ich eine Teilnahmequote von fast 80% erreichen können.
Vor allem die Führungskräfte waren der Umfrage gegenüber sehr offen.
Allerdings bin ich jetzt vor eine neue Herausforderung gestellt: Wie erläutere ich das schlechte Ergebnis vor allem im Hinblick auf Führung und Anerkennung?
Und wie sind die Reaktionen?
Am Freitag fand, wie verabredet, ein Meeting mit Basil von der gtz und unserem neuen HR-Volunteer Alick aus England statt. Alick wird die Arbeit von Susann Stritzke, unserer PV-Kollegin aus Dresden weiterführen und sich noch stärker um Organisationsentwicklung kümmern.
Wir planen ein Management-Meeting, wo mein Audit und die Ergebnisse meiner Mitarbeiterbefragung mehreren Councils vorgestellt werden soll.
Wir haben an dem Tag ein gutes Konzept für unseren Workshop erstellt und werden viele tolle Moderationsmethoden einbauen, um die Herren bestmöglich miteinzubeziehen. Der Workshop soll Anfang Dezember stattfinden – ich werde berichten.
Am Samstag war das schöne Wetter von einem traurigen Ereignis überschattet: Einer unserer Kollegen, ein Security Guard, wurde beerdigt.
Beerdigungen sind in Sambia ein wichtiger Bestandteil des öffentlichen Lebens und werden sehr intensiv begangen.
Einer Beerdigung geht ein sog. mehrtägiges Funeral voraus. Eine mehrtägige Zeremonie, meist im Haus des Verstorbenen, wo Freunde, Kollegen und Familie zusammen kommen, kochen, essen, singen, trauern und erzählen. Wenn es sich um einen Council-Mitarbeiter oder Angehörigen eines Mitarbeiters handelt, stellt das Council hierzu Geld für Lebensmittel zur Verfügung und es nehmen – je nach Position des Verstorbenen – fast alle Kollegen teil. Auch für den Transport des Sarges ist das Council zuständig. Hierfür haben wir einen speziellen Landrover, schwarz lackiert und mit Martinshorn.
Unser Security Guard ist im Alter von 45 Jahren an den Folgen von Aids gestorben. Er hinterlässt 11 Kinder und zwei Ehefrauen. Aids ist Todesursache Nr. 1 in Sambia und trotz unglaublich vieler Bemühungen sämtlicher Hilfsorganisationen und der Regierung, stagnieren oder steigen die Infektionszahlen sogar.
Livingstone verzeichnet aktuell eine HIV/Aids-Rate von fast 28% in der Bevölkerung!
Warum ist das so? Viele Männer verweigern nach wie vor den Gebrauch von Kondomen, es ist üblich, mehrere Affären und diverse Lebenspartnerinnen und auch mehrere Ehefrauen zu haben, die Infektion von der Mutter zum Kind kann zwar mit neuen Erkenntnissen sehr gut vermieden werden, viele Frauen sind sich der Gefahr aber nicht bewusst und halten sich nicht an die Vorschriften der Ärzte. Und mittlerweile kommt eine neue Dimension mit hinzu: Männer glauben, eine Beschneidung ist die Lösung in der Prävention von HIV und die Kliniken und traditionellen Heiler kommen wg. verstärkter Nachfrage gar nicht mehr hinterher. Diese Präventionsmaßnahme wird auch von vielen Spezialisten empfohlen, da Beschneidung die Gefahr, infiziert zu werden, evtl. minimieren kann. Wirklich gesichert sind diese Erkenntnisse aber noch nicht, bedeuten aber einen Freifahrtschein für viele promiskuitive Menschen.
Im Fall meines Kollegen gibt es noch eine weitere Tücke: Er hat sich nicht mit antiviralen Medikamenten behandeln lassen wollen, da er der Überzeugung war, er sei verhext worden. Witchcraft ist nach wie vor ein riesen Thema in Sambia, auch wenn viele sagen, sie glauben nicht wirklich daran. „You know, I don´t belive in it, but I know it exists.”, ist der Satz, den ich dazu fast täglich zu hören bekomme.
Auch ein anderer Kollege, der beide Eltern Anfang der 90er verloren hat, glaubt, sie sind beide gestorben, da man sie verwunschen hat. Aids? Hm. Nein, ich glaube, es war Witchcraft…
Ich war hier mittlerweile auf so vielen Beerdigungen und habe so viele Todesfälle mitbekommen, wie in meinem ganzen vorherigen Leben noch nicht. Vor allem die Kindersterblichkeit ist sehr sehr hoch. Meine Kollegen sind so oft auf Funerals und Beerdigungen (burials), dass sie sehr routiniert, aber dennoch sehr bewegt, mit diesem Thema umgehen.
Ich habe mich auch gewundert, dass alle Männer ganz leger, in kurzer Hose, T-Shirt und Flip-Flops zu einer Beerdigung gehen. Ein Kollege erläuterte mir, dass es eigentlich auch so ist, dass zumindest die Männer im schwarzen Anzug teilnehmen, Beerdigungen aber so häufig sind, dass man davon meist absieht. Frauen tragen traditionell ein Chitenge (= Sarong) und bedecken ihr Haar.
Frauen geben während der Beerdigung sehr laute Klagelaute von sich und werfen sich z.T. auch zu Boden, was das Ganze, zumindest für mich, noch dramatischer macht.
Priester, Freunde und Angehörige halten Reden, wie man das auch von unseren Beerdigungen kennt und je nachdem, welcher Kirche der Verstorbene angehört hat.
Es ist auch Brauch, dass der Cousin-Tribe (für die Tongas sind die Lozi Cousins), der bei der Beerdigung anwesend ist, Geldspenden für die Hinterbliebenen sammelt. Während der Beerdigung fragen also die Lozi nach einer Spende, verweigert man diese, wird man mit weißem Babypuder bestäubt. Dies führt wiederrum zu Lachern, die ich dann wiederrum befremdlich finde.
Aber auch Erfreuliches gibt es zu berichten: Die Assistentin unseres C.S. ist Mutter geworden und hat planmäßig und ohne Komplikationen einen gesunden Jungen zur Welt gebracht. Wir werden sie alle im Laufe dieser Woche zu Hause besuchen.
Die Zeit läuft und läuft und läuft – am 22.12. ist mein Placement hier schon offiziell zu Ende. Ich kann es gar nicht glauben, dass es kurz danach schon wieder zurück nach Deutschland geht.
So langsam setzen auch wieder Gedanken zu zu Hause ein, zur Arbeit und natürlich zum Kölner Karneval!
Aber noch bin ich ja eine Weile hier und werde die restliche Zeit bestmöglich ausnutzen.