Freitag, 21. Januar 2011

Wandertage

Ich steige da jetzt einfach mal hoch...
Oder: Was mache ich hier eigentlich?

Machame-Route 6 nights 7 days

15.01.11

Tag I

"Frust und Flatulenzen"

Machame Gate (1730m) - Machame Camp (3018m)

Seit ich den Entschluss gefasst habe, auf das Dach Afrikas hochzusteigen, sind mittlerweile fast 6 Monate vergangen. 
Viel Wandertraining habe ich nicht - Sambia hat keine Berge und die letzten Wochen bin ich nicht mal mehr zum Sporteln, sprich Joggen, gekommen. 
Wenn ich mich so bei den anderen Wanderern umhöre, scheine ich die einzige zu sein, die fast vollkommen unvorbereitet hier hochstiefelt. 
Hm. Ich setzte jetzt einfach mal auf eine gute Grundfitness und auf den Wandergott, der mir hoffentlich wohlgesonnen ist.

In Moschi scheint nichts ohne Komplikationen und Touristennepp zu laufen. Auf meiner Odysee durch Moshi auf der Suche nach einem zuverlässigen Touranbieter bin ich auf mem-Tours gestoßen, die einen guten Eindruck gemacht und ein gutes Angebot unterbreitet haben. Jackson, dem freundlichen Angestellten, habe ich gleich meine Kriterien erläutert: Mir ist es wichtig, mich einer Wandergruppe anzuschließen, einen eigenen Guide zu haben und dass die Porter fair und ordentlich bezahlt werden.
Es kursieren nämlich mehrere Horror-Geschichten über die schlechten Arbeitsbedingungen der Porter. Um nur einige zu nennen: Der Guide verschwindet mit der Bezahlung und/oder den Trinkgeldern, die persönliche Ausrüstung gegen Kälte und Bergbedingungen ist miserabel, es gibt nur eine Mahlzeit pro Tag, das Gewicht, das die Porter tragen müssen, ist zu hoch, etc.
Grundsätzlich kann der Kilimanjaro nur mit Guide und Portern bewandert werden - das sind die Vorschriften der Nationalparkverwaltung. Und das ist auch gut so. Wenn ich meine komplette Ausrüstung hätte selber den Berg hochschleppen müssen, hätte ich wahrscheinlich schon nach dem ersten Tag kapituliert. 
Dank der schwer arbeitenden Träger gab es jeden Tag lecker Essen, frisches Wasser, ein aufgebautes Zelt samt guter Iso-Matte, Müllentsorgung und sonstige Annehmlichkeiten.
Wer mehr zu den Arbeitsbedingungen der Porter erfahren möchte, kann hier nachschauen:
http://www.kiliporters.org/

However. Jackson sicherte mir zu, all meine Konditionen werden erfüllt. Ich kann mich einem amerikanischem Pärchen anschließen (und die wollen wirklich nicht unter sich sein? - Nein, die beiden möchten unbedingt mit anderen zusammen wandern...). Der Preis, den er mir unterbreitet, ist etwas höher, als der der anderen Anbieter, dafür habe ich aber auch einen eigenen Guide, der mit mir mein Tempo geht und die Porter werden lt. seiner Aussage selbstverständlich absolut korrekt behandelt. Also gut. Ich schlage ein. 

Als ich am Morgen des 15.1. von Jackson abgeholt werde, erfahre ich dann (natürlich erst auf Nachfrage), dass das Pärchen just heute Nacht (??) entschieden hat, alleine wandern zu wollen (You know, it´s their Honeymoon...), es leider sonst keine Alternativtour gibt, aber der Preis für mich der Gleiche bliebe.
Ich versuche, die Nerven zu bewahren. Jackson, sage ich ruhig, meine Bedingungen waren klar und eine davon, auf keinen Fall alleine wandern zu wollen. Ja, aber es ist doch überhaupt kein Problem, alleine zu wandern. Es gibt doch überall auf der Strecke Möglichkeiten, mit anderen Wanderern ins Gespräch zu kommen. Und im Camp seien so viele andere Leute! Egal. ich bleibe dabei. Alleine und nur mit der Crew zu wandern, finde ich doof und möchte mich im Falle eines Falles auf Gleichgesinnte verlassen können. Abends werde ich sicherlich zu fertig sein, um noch groß "socializen" zu können. 
Und Jackson, warum hast Du mir das denn nicht schon früher gesagt, dass keine Wandergruppe zusammenkommt. Dann hätte ich bei einem der anderen Anbieter zugeschlagen...? Wie hätte er denn Nachts anrufen sollen? Ne, klar...
Ehrlich gesagt, glaube ich nicht, dass dieses Pärchen überhaupt existiert. Wahrscheinlich hat er mir das nur erzählt, um die Tour mit mir abzuschließen und hat damit gerechnet, bis zum Starttermin genug Leute zusammenzubekommen. 
Egal. Ich bin sehr enttäuscht, muss schwer gegen Wut und Tränen ankämpfen und bin kurz davor, das Kili-Experiment abzublasen.
Hätte mir Pius von der anderen Tourgesellschaft nicht gestern Abend nach Rückkehr von der Safari mitgeteilt, er habe eine Gruppe Deutscher, die heute loswandern wollen, hätte ich das auch getan. 
So bitte ich Jackson, mich mich bei Pius vorbeizufahren und zu schauen, ob ich mich dieser Gruppe anschließen kann. Falls nicht, bleibts beim Blick auf den Kili von unten.

Bei Pius angekommen, sehe ich, dass der Minibus schon abfahrbereit am Straßenrand steht mit drei Wanderern an Bord und einer Menge Gepäck auf dem Dach. Pius selbst ist auch auf dem Sprung. Er hat mir gestern Abend noch erzählt, er fliege am Morgen geschäftlich nach Spanien. Aber - Hakuna Matata - wie immer in Afrika,  ist es natürlich kein Problem, mich super-kurzfristig und in allerletzter Sekunde dieser Gruppe anzuschließen. 
Noch einmal zum Geldautomaten zu fahren, oder sonst etwas zu erledigen, dafür ist allerdings keine Zeit mehr. Ich frage noch, wie ich das Trinkgeld an das Team übergeben soll, wenn ich nicht mehr zum ATM kommen - no problem, Christiane, no problem. Also gebe Pius all mein Bargeld, lade mein Wandergepäck mit auf und steigen in den Bus zu den drei anderen Touristen, die sich als Österreicher herausstellen. Na ja, ich bin mal gespannt, wie ich als Flachlandtiroler da mithalten kann. Die drei haben gerade erst Mt. Meru, den zweithöchsten Berg Afrikas "absolviert" und sind brilliant im Training. 
Pius nutzt natürlich noch einmal die Gunst der Stunde: Auf einmal soll seine Tour genau so viel kosten, wie die, die ich mit MEM vereinbart habe. Ich weise ihn darauf hin, dass sein Preis für die Tour bei 1.200 USD lag, als ich ihn vor einer Woche gefragt habe. Daran kann er sich aber nicht mehr erinnern und - natürlich durch Jackson entsprechend gebrieft - liegt auch sein Preis plötzlich bei 1.450 Dollar. Aber ohne eigenen Guide und ohne nochmal genau gecheckt zu haben, wie er seine Porter behandelt. 
So ist es, wenn man unter Zeitdruck Geschäfte macht. Soll ich jetzt noch eine Diskussion anfangen? Und wenn ich heute nicht loswandere, kann ich mir den Kili abschminken. Schließlich muss ich am 23.1. schon wieder in Dar es Salaam sein, da mein Rückflug am 24.1. geht. 

Bei den drei Österreichern handelt es sich um ein lustiges und wie sich das für ein Alpenvolk gehört, wanderbegeistertes Trüppchen: Franz, seineszeichens katholischer Priester und bereits 76 Jahre alt (RESPEKT!), Elfi, in ihren fünfzigern und bereits zum Mount Everest Basecamp gewandert und Isabell, eine 31-jährige Altenpflegerin, ebenfalls "into hiking".

Um zum 5.8950m hohen Gipfel (Kibo) zu gelangen, kann man zwischen verschiedenen Routen wählen. Ich habe mich für die Machame-Route entschieden. Nicht die leichteste, aber populär und landschaftlich toll. 

Nachdem auch mein Gepäck aufgeladen ist, geht sie los die Fahrt zum Machame-Gate.

Unser Guide (sorry: "Chief-Guide") heißt August, wie er im Laufe der Wanderung zigfach wiederholt, 51 Jahre alt, seit 25 Jahren im Geschäft und macht seinen 350undnocheinpaargequetschete-sten Kili-Treck. Sein Englisch ist solala. Zumindest kann er sich verständlich machen. Ob er mich immer versteht, ist allerdings fraglich. Er kennt bis zum letzten Tag nur Isabell(a)s Namen. Franz ist der "baba", Elfi die "mama" und ich bin die "sister", die den gleichen Vornamen wie seine Mutter hat. Manchmal spricht er mich in der 3. Person Singular an, was mich vor allem am Anfang der Tour etwas irritiert, da ich immer denke, er spricht von jemand anderem. Aber auch daran gewöhnt man sich...

Vor dem Machame-Gate, kurz bevor´s losgeht.

Unser Guide August
Im Küchenzelt
Zu unserer Wandercrew gehören 16 Porter, die alle unterschiedliche Aufgaben haben. So nennt sich einer "Speed-Porter", wir haben zwei "Rubbish-Porter", den Koch, den Kellner (beide sind auch "Assistant-Guides"), "Water-Porter" und "Fresh-Food-Supply-Porter". Man hat keine Vorstellung, was an den Gates los ist, wenn alle Porter ihr Gepäck sortieren und sich zum Wiegen anstellen. Es werden tatsächlich auch Klappstühle, Tische und portable Toiletten auf den Berg hoch geschleppt! Wir wundern uns nur. 

Nachdem wir uns ins Registrierungsbuch eingetragen haben (ein amerikanisches Pärchen mit mem unterwegs finde ich übrigens darin nicht...), und ich per Kreditkarte die 106$ NP-Tagesgebühr für 7 Tage gezahlt habe, geht´s mit fast 170 anderen Wanderlustigen auf die erste Etappe. 

August stellt sich als Guide mit kaum zu unterbrechendem Redeschwall dar. Wenn er uns nicht zutextet, quatscht er alle Porter auf der Strecke an und erzählt, wie ich das an den immer gleichen Worten fest mache, dass er mit Österreichern unterwegs ist, die ihn über Empfehlungen von anderen Österreichern kennen, bereits mit ihm Mt. Meru gemacht haben, ein Pfarrer mit von der Partie ist und zählt Mantraartig Namen der Österreicher auf, die er sonst noch kennt. In Sambia hätte man gesagt, der Mann hat eine Menge "Talktime"...

Den Vogel schießt er ab, als er uns bittet, Abstand zu vor uns hergehenden Portern zu halten. 
Ich sehe nur, wie er in absolutem Ekel das Gesicht verzieht, was von "vomit" und "disgusting" murmelt.
Er klärt uns dann darüber auf, dass diese Porter stinken, wie die Hyänen und es ihm bei dem Geruch hoch kommt. Als er meinen irritierten Blick sieht, erläutert er, dass sich diese Kollegen wohl hauptsächlich von verdorbenem Fleisch ernähren. Wir sollen nur zusehen, dass wir genügend Abstand halten, da wir sonst an den Flatulenzen ersticken würden...aha.
Der Mann scheint kein Blatt vor den Mund zu nehmen. 
Auch sonst lässt er an anderen Touranbietern selten ein gutes Haar. Die einen haben nur kiffende Porter beschäftigt, die dummes Zeug reden (seine Lieblingsphrase: "They do a lot of Blah Blah), die anderen stören den Naturfrieden mit ihrem Radiogedudel, andere schleppen zu viel Gewicht und halten so die Kosten gering. Sein Team scheint wohl zur Bergelite zu gehören. Well.
Nach fünf Stunden Wandern durch den Regenwald kommen wir in unserem ersten Übernachtungscamp an. Schon krass, was hier los ist. Die Porter haben uns sogar ein "Dinnerzelt" aufgebaut, in dem Snacks und Abendessen serviert werden. 
Das Essen ist einfach aber sehr köstlich. Ich bekomme sogar immer meine kleine Extrawurst.

In unserem ersten Zeltlager - so langsam wirds kühl.

16.1.2011

Tag II

"Pole Pole, Jambo Mambo"

Machame-Camp (3018m) - Shira Camp (3.756m)

Um 7 Uhr werden wir von unserem Kellner mit einer Tasse Tee geweckt. Ich habe recht gut geschlafen, hatte allerdings mit eiskalten Füssen zu kämpfen. Für meinen Körper, der inzwischen seit einiger Zeit auf tropische Temperaturen eingestellt ist, eine ganz schöne Umstellung.
Nach ausgiebigem Frühstück starten wir um 8:30 Uhr zu unserem nächsten Camp. 
Für die nächsten 6 Tage ist Katzenwäsche angesagt. Mein größtes Fragezeichen, als ich mich mit der Bergbesteigung beschäftigt habe: Wie überlebe ich sieben Tage ohne Dusche und Haare Waschen? Vielleicht klappt ja wenigstens einmal... schaun mer mal. 

Zu meinen Essentials gehören mittlerweile feuchte Tücher und Desinfektionsmittel.  Eine Nagelbürste wäre eine feine Sache gewesen - die Nägel bekommt man hier oben fast nicht sauber...

Heute absolvieren wir einen taffen Wandertag: Es geht fast nur bergauf und das über Felsen. Ich merke mittlerweile die Höhe ein wenig. Meine Brust wird enger und atmen fällt insgesamt schwerer. Also immer schön "Pole Pole".

Zur Prävention der Höhenkrankheit (Altitude Sickness) nehme ich auf Empfehlung anderer Wanderer hin seit heute Morgen "Diamox", ein Medikament, das gegen Ödeme und Glaukom angewendet wird. Diamox ist in der Wandererwelt höchst umstritten, da es die Symtome in großer Höhe verschleiern kann und die Behandlung einer wirklichen Höhenkrankheit schwierig macht. Interessanterweise nehmen fast alle Wanderer aus Großbritannien das Medikament, wohingegen Deutsche die Finger davon lassen. Ich wage den Selbstversuch. 

Nach vier Stunden erreichen wir das tolle Shira-Camp. Ich bin fertig aber glücklich. Die Landschaft ist gigantisch. Aber kalt ists - brrrrrrr.

Shira Camp mit Blick auf die Shira Cathedral
Wo ist Reinhard Mey?


17.01.2011

Tag III

"Eisfüsse und andere Wehwehchen"

Shira-Camp (3756m) - Baranco-Camp (3900m)

Heute habe ich schwer kämpfen müssen. 
Seit wir um 8:30 Uhr losmarschiert sind, setzen mir Kälte und Triefnase schwer zu. Hoffentlich kündigt sich da mal keine Erkältung an. Da ich nun zwei Nächte in Folge mit Eisfüssen geplagt bin, muss ich mir für die nächste Nacht etwas einfallen lassen. Irgendeine Wärmequelle muss mit in den Schlafsack, sonst hole ich mir den Tod hier oben. Auf die "was muss unbedingt mit hoch auf den Kili, wenn ich nochmal planen müsste-Liste" kommt die Wärmeflasche. Dafür würde ich jetzt sogar einen unverschämten Preis zahlen...

Ich will mich nicht beschweren, denn die Landschaft ist einfach nur fantastisch!
Um uns zu akklimatisieren, wandern wir heute erst recht hoch, dann gehts aber doch wieder runter ins Tal und dort wird auch übernachtet.

Unser August erzählte heute wirklich den ganzen Tag schier unglaubliche Storys (nicht die Storys an sich sind unglaublich, sondern wie er sie erzählt und das auch fast ohne Luft zu holen...). Die Kommunikation ist sehr einseitig. August erzählt. Fragen stellen? Möglich, aber August´s Englisch ist teilweise so schlecht, dass er die Fragen nicht richtig versteht und mit seinen Antworten nur noch mehr Verwirrung auslöst. Mir ploppen sozusagen Fragezeichen über der Mütze auf. Also lassen wir ihn erzählen. Vor allem Franz hat es ihm heute schwer angetan. Es scheint ihn mit Stolz zu erfüllen, einen katholischen Priester führen zu dürfen. Jedenfalls ist Franz bald bei fast allen Portern und Guides bekannt, wie ein bunter Hund. 


18.01.2011

Tag IV

"Die Sigg-Flasche - Jetzt wird alles gut"

Baranco-Camp - Karanga-Camp (3937m)

Abmarsch ist heute um 9 Uhr. Glücklicherweise hat mir Elfi ihre Sigg-Flasche (danke, Ihr Schweizer - nicht nur Euer Messer hat mir schon mehrfach das Leben erleichtert...) ausgeliehen, die ich mir des Nachts 2x mit heißem Wasser nachgefüllt habe. Sie hat mir meine Füsse gewärmt und damit auch ein bischen meine Seele. 
Man macht sich in so einem halbwachen Dämmerzustand ja seine Gedanken über Zehenerfrierungen, -amputationen und andere Verluste.

Aufgrund der Kälte brauche ich morgens Ewigkeiten, mich "wanderfertig" zu machen. Meine Hände sind eiskalt und schon allein der Gedanke, meinen Körper mit Wasser in Berührung bringen zu müssen, lässt Frostbeulen wachsen. Haarewaschen? Gott bewahre!
Auf meinem Schlafsack haben sich durch meine Atemluft sogar Eiskristalle gebildet. Ist das zu fassen?

Von unserem Zelt aus sehen wir die Ameisenwanderung auf dem gegenüberliegenden Berg. Ich kann mir nich vorstellen, dass der Marsch heute "relaxt" wird, wie alle meinen, wenn ich mir das anschaue. 

Aber in der Tat ist heute alles halb so schlimm. An den Nadelöhr-Punkten bilden sich Staus, da einfach unglaublich viele Wanderer und 10x soviele Porter unterwegs sind. So sind wir immer wieder zum Anhalten und somit zum Verschnaufen gezwungen. Die Luft wird in der Tat immer dünner und der Puls steigt beim Klettern sofort an. Mein Ruhepuls heute morgen: 80bpm!!

Da meine Nase dauerverstopft ist, ich mittlerweile auch Probleme mit der Verdauung habe, habe ich fast alles eingeworfen, was die Hausapotheke bereithält. Nur nicht schlapp machen. 

Kurz vor Erreichen des heutigen Camps überqueren wir einen Wasserlauf, an dem sich die sog. "Wasserporter" sammeln, um frisches Wasser für das Camp abzufüllen. Unglaublich, was diese Menschen leisten, um uns den Weg so angenehm wie möglich zu machen. Denn von hier aus geht es nochmal mind. 40 Minuten steil bergauf...

Ich bin jedenfalls schön erledigt, als wir das Camp erreichen. Ich bin zwar nicht so erschlagen, wie gestern, habe aber mit Durchfall und Übelkeit zu kämpfen. Appetit stellt sich auch nicht wirklich ein. Kein Appetit? Darüber würde ich mich normalerweise freuen. Aber hier brauche ich Energie...

Nochmal meine Respektbekundung Franz gegenüber. Der Mann ist 76 Jahre alt und geht mein Tempo (oder ich seins - wie man´s sieht). 
Positive Warte: Franzl hat die Kondition einer 35-jährigen. Wenn man´s aber gegen mich verwendet, könnte man sagen, ich habe die Kondition eines 76-jährigen. Hm.  Heute bin ich ausnahmsweise mal ein positiv denkender Mensch...

Das Wetter spielt inzwischen nur noch morgens mit. Die Sonne scheint während der ersten Etappen, doch dann irgendwann verschmelzen wir mit der Wolkenfront. 

Porter im Nebel
Arty trotz Höhe
 

19.01.2011/20.01.2011

Tag V und VI

"Gipfeltreffen"

Karanga-Camp - Barafu-Camp (High-Camp 4633m)


Boah, ist das kalt. Wir gehen heute nur 3 Stunden und kommen bereits gegen 12 Uhr mittags im High Camp an. Der Hike klappt gut - im Schneckentempo (ich habe mich noch nie sooooo langsam fortbewegt...) schleichen wir voran. 
Jeder zu schnelle Schritt strengt an und lässt mich aus der Puste kommen. Ich habe ausnahmsweise mal keine Beschwerden, bis wir im Lager ankommen. Ab dann setzt wieder die Übelkeit ein.

Auf Barafu ist die Luft dünn dünn super dünn. Sogar Elfi klagt heute über Kopfschmerzen und es ist wie immer sau kalt. Sobald die Sonne weg ist, wird es eisig. Ich bekomme die Füsse und Hände fast nicht warm. 
Nach dem Lunch legen wir uns hin. Gegen fünf soll es Dinner geben, dann Ruhen, dann Mitternachts-Aufstieg zum Gipfel. Spooky!

Einer der Porter ist heute morgen wohl gestürzt und hat sich die Knie aufgeschlagen. Er musste von zwei anderen Portern ins Tal zur Behandlung gebracht werden.  Mich wunderts nicht, wenn ich mir den glitschigen Weg mit den ausgelatschten Porter-Schuhen matche.
Die Camps haben alle einen Hubschrauber-Landeplatz. Angeblich von der UN implementiert. Ich will allerdings nicht diejenige sein, die die Maßnahmen der Bergrettung auf ihre Reibungslosigkeit hin überprüft...

Nach einem Spaghetti-Dinner (wo ist er denn, mein Appetit?) heißt es: Gipfelfertig anziehen und vor der nächtlichen Wanderung ein letztes Mal ausruhen. 
Dicker kann man sich fast nicht mehr einpacken: Ich trage 2 lange Thermo-Unterhosen, eine Wanderhose und Regenhose, 2 Thermo-Unterhemden, 2 Fleece-Pullis, die Mammut-Jacke, 2 Paar Socken, Handschuhe und Mütze. Teletubby lässt grüßen und Bewegen erinnert an Astronauten.

Gegen 23 Uhr werden wir mit einer Tasse Tee geweckt. Nun heißt es Kräfte mobilisieren und auf den Gipfel einschwören. 
Heute gehen wir nicht nur mit August, sondern auch mit seinen zwei "Assistant-Guides": Unserem Koch und Kellner. Die beiden werden angeblich schon seit längerem als Guide von ihm persönlich ausgebildet und müssen nur noch Englisch lernen, um sich als professionelle Guides ausbilden zu lassen. Aktuell ist Unterhaltung nur auf einfachstem Niveau möglich... Nun gut. Nach viel Reden und Schwätzchen halten ist mir eh nicht.

Wir wandern kurz nach Mitternacht los. Ungefähr zeitgleich mit den andern 130 Kili-Stürmern - reihen uns also wie schon die letzten 5 Tage in der Ameisenstraße ein.
Schon nach ein paar Metern kommen uns die ersten Wanderer entgegen, die aufgrund von Problemen umkehren müssen. 
Aus irgendwelchen Gründen hat es August sehr eilig und setzt ständig zum Überholen von anderen Gruppen an. Das kostet zusätzlich Kraft und Energie. Und macht mich leicht Aggressiv.

Ab ca. 5.500 metern setzt mir die Kälte unheimlich zu: Ich kämpfe gegen Magenkrämpfe und Übelkeit und mein Körper ist nicht mehr in der Lage, genug Energie zur Verfügung zu stellen, um Hände und Füße zu wärmen. Wie lange es wohl dauert, bis einem die Zehen und Finger abfrieren? Wieder diese irritierende Vorstellung von fehlenden Gliedmaßen.
Ich habe schier unstillbaren Durst und ein Dehydrieungsgefühl. Als ich dann anfange, Sterne zu sehen, gebe ich meinem Guide bei Stellar - dem zweithöchsten Punkt auf dem Weg zum Gipfel, ein Zeichen, umzudrehen. Ich möchte nur noch runter - dorthin, wo es Sauerstoff und Wärme gibt. Plötzlich steht August neben mir und erklärt es zur Chefsache, mich persönlich über Symptome der Höhenkrankheit auszufragen und mich dann hinunter ins Camp zu begleiten.
Meine letzten Reserven verbrauche ich für den 2-stündigen Rückweg ins Camp. Langsam kommt auch wieder Gefühl in meine Finger zurück und die Übelkeit lässt langsam nach. Gegen 6 Uhr am Zelt angekommen, verlassen mich die Kräfte und ich schaffe es gerade noch, mich in den Schlafsack einzumummeln und nach der Wärmeflasche, zu der ich mittlerweile sowas wie ein freundschaftliches Verhältnis aufgebaut habe, zu fragen.Werde ich hier oben wahnsinnig?

Ich falle in einen unruhigen Schlaf und werde wieder wach, als die Sonne am Himmel steht. Es ist mittlerweile 9 Uhr und gleich müssten die Österreicher wieder im Camp eintreffen. Von überall hört man bereits Rückkehrergemurmel.
Und tatsächlich: Ein paar Minuten später höre ich die beiden Mädels eintrudeln und kurz danach Franz. Congratulations! Tolle Leistung, Leute!!

Uns werden noch 2 Stündchen Erholung gegönnt, dann geht es nach kleinem Lunch weiter Richtung Sauerstoff: Wir müssen heute noch das Mweka-Camp auf 3100 Metern erreichen. Erst dann können wir wieder komplett regenerieren.
Im Regen stapfen wir bergab und bewundern die sich langsam verändernde Landschaft. Auf einmal wachsen wieder Erika-Büsche und unten im Camp gibts sogar waldartige Ansätze in der Vegetation. 
Die Wanderteams wirken gelöst und wissen, die größten Strapazen sind vorrüber. Wir haben Dinner mit Bier, was mich komplett umhaut. Rien ne va plus...
Aber nix damit Schlafen: August textet uns zum letzten Mal zu und erläutert uns das Trinkgeld-Procedere: Er verteilt Briefumschlage mit allen Namen der Mannschaft darauf und möchte, dass wir die Tipps morgen bei der Abschlussfeier persönlich an die Crew übergeben.
Ich bin sooo müde und falle sofort in einen komatösen Schlaf.

Kahaaalt! Eiskristalle vorm Zelt

2. von links: August unser Guide. Alarm: Selbst er packt die Mütze aus...







Kraterbild (leider nicht von mir geschossen)


Franz und ich

Kibo

Mt. Meru im linken Hintergrund

Waderer im Nebel


Ich und meine Mammut


aus dem Zelt heraus fotografiert

Nachtwanderung

Barafu-Camp
























































21.01.2011

Tag VII


"Eine schöne Tour nimmt ein unschönes Ende..."

Mweka-Camp - Mweka-Gate

Ich habe tatsächlich tief und fest geschlafen. Wahrscheinlich der erste richtige Tiefschlaf seit Start der Wandertour. Und: Ein letztes Mal Packen. Ich sortiere ein paar Teile aus, die ich nicht mit zurück nach Deutschland nehmen und den Portern überlassen möchte. So auch meine treuen Wanderschuhe, die mich seit über 10 Jahren begleitet haben.

Nach dem Frühstück wandern wir das letzte Stück bis zum Mweka-Gate runter, wo die Tour offiziell zu Ende ist.
August hat am Vorabend noch etwas von Feier und 10 USD pro Person für Essen und Getränke erzählt. Ich will endlich unten ankommen und kann es kaum erwarten, unter die Dusche zu springen und die Wanderklamotten gegen Sommeroutfit einzutauschen. Feiern ist zwar schön,  aber heute bitte im Schnelldurchlauf...

Unten angekommen, werden wir Zeuge eines unschönen Ereignisses. Nachdem wir uns ein letztes Mal im großen Buch registriert haben, muss alles plötzlich ganz schnell gehen: August drängt uns darauf, die Umschläge mit den Trinkgeldern drin an das Team zu übergeben. Moment, sollte der Ablauf nicht ein anderer sein? Die Porter versammeln sich alle um einen Mann, der sich uns als Chairman der Porter Assoziation vorstellt. Es haben sich wohl einige Porter bei ihm beschwert, sie seien noch nicht für ihre Arbeit von August, bzw. Spoonbill, dem Touranbieter, bezahlt worden.
Die Arbeitgeber sind wohl dazu verpflichtet, die Teams noch am Gate zu vergüten, da die Guides sonst oft mit dem Geld über alle Berge verschwunden sind.
Nach einigen Diskussionen händigt August und ein Angestellter des Büros, der auf einmal auftaucht, Geld an die Kollegen aus. Trotzdem stoppt der Tumult nicht. Der Chairman klärt uns darüber auf, dass den Portern viel zu wenig Geld angeboten wurde. Minimum seinen 10.000 TSH pro Tag (=5 Euro!!!!), Spoonbill sei aber nur bereit, 7.000 TSH zu zahlen! Unfassbar.
Mir schwant, dass uns August deshalb auf die Übergabe des Trinkgelds gedrängt hat, um den Portern dies als Gehalt zu verkaufen. Mies. 
Wir ermahnen August, die Porter vernünftig zu entlohnen. Schließlich haben wir insgesamt fast 5.000 Dollar für die Kili-Wanderung gezahlt. Was passiert mit dem ganzen Geld? August verstrickt sich in Ausreden und faselt irgend etwas von Mariuhana, das man plötzlich bei zwei Portern gefunden haben will. Und man hätte nur einen Porter nicht bezahlt, weil er in einen Diebstahl verwickelt sei. Ne, ist klar. Alles Show.
Wir entscheiden uns, jetzt auch den Portern ihr Trinkgeld zu zahlen, damit das Thema endlich über die Bühne ist. Einige Porter habe ich noch nie gesehen, fand es auch von Beginn an seltsam, dass August uns nie das gesamte Team vorgestellt hat. Ich habe ihn mehrfach danach gefragt, er hatte aber immer andere Ausreden parat, warum wir das Team jetzt nicht kennenlernen können.
Ich will jedenfalls nur noch ins Hotel und dieses Schauspiel vergessen. Eigentlich eine Katastrophe, dass alle Klischees auf unserer Tour bedient wurden und August, als auch African Spoonbill zweifelhafte Methoden in der Bezahlung der Porter anwenden. Hätte ich mehr Zeit gehabt, hätte ich Pius und African Spoonbill beim Tourist Board in Arusha gemeldet. Dort wird eine sog. Blacklist mit zwielichtigen Touranbietern geführt. Online kann man leider im Nachhinein nichts mehr tun.

Wenn man mich jetzt aktuell um eine Empfehlung bitten würde, würde ich zu Zara Tours tendieren. Ich habe einige Guides auf der Tour kennen gelernt, die sehr gutes Englisch sprechen und insgesamt professionell wirkten.
http://www.zaratours.com/
Zara war auch eine der wenigen Agenturen, die mir von Beginn an ehrlich gesagt haben, dass sie mir aktuell keine Tour anbieten können. Touristen, die ich gefragt habe, schienen insgesamt zufrieden mit diesem Anbieter.

Von der Abschlussparty mit Essen und Getränken ist auf einmal auch keine Rede mehr. August kutschiert uns runter ins Tal, wo wir in einer Bar dem Team ein Bier spendieren, wir unsere Urkunden überreicht bekommen und noch eine Weile entspannt zusammen sitzen. Mittlerweile ist unser schier ununterbrochen redender Guide ganz schön wortkarg. Eigentlich ein schöner Abschluss einer tollen Tour. Wäre da nicht der bittere Nachgeschmack der Szenen am Gate...

Zwei Porter/Assistenz-Guides/Kellner

Franz erhält seine Urkunde...

...dann Elfi,

...Isabell

...und schließlich ich.

Isabell und Mrs. Pink

Das gesamte Wanderteam