Kalomo, 01. Dezember 2010
In einem halben Jahr ein HR-Management-System aufzubauen, dazu noch in einem Local Government, das habe ich in meinen Berichten versucht, ein wenig zu beschreiben, war bisher eine knackige Herausforderung. Wenn ich jetzt auf die letzten sechs Monate und vor allem die letzten Wochen zurückblicke, eine für mich und sicherlich auch für mein Umfeld sehr bewegende Zeit.
Ich habe mehrere Meetings mit meinen Managern organisiert, unzählige Einzelgespräche geführt, mir den Kopf über Strategien zerbrochen und wie ich sie meinen Leuten hier am besten näherbringe, mit tollen Menschen zusammen gearbeitet, mich nicht von der doch sehr anderen Arbeits- und Denkweise davon abhalten lassen, weiterzumachen, festgestellt, dass am Ende doch immer alles irgendwie klappt und Unmengen von der knappen Ressource „Kopierpapier“ verbraucht und mich natürlich auch oft gefragt: „Was mache ich hier eigentlich?“. Wenn ich rückblickend aber sehe, wie offen meine Kollegen mittlerweile neuen Ideen gegenüber sind und stolz, etwas zusammen erreicht zu haben, entschädigt das schon wieder für manchen schwachen Moment. Und die vielen Begegnungen mit Menschen, die wirklich etwas bewegen und verändern wollen und die Missstände sehr scharf sehen.
Die Mitarbeiterumfrage
Direkt nach meiner Rückkehr aus Südafrika stand die Präsentation der Mitarbeiter-Umfrage an.
Schön nach dem Top-Down Prinzip: Erst überlegen, wie ich den C.S. auf die nicht ganz so guten Ergebnisse vorbereite – vor allem hinsichtlich des Führungsfeedbacks. Danach die Erläuterungen für die Manager und zum Schluss Vorstellung der Ergebnisse vor dem gesamten Team des Councils.
Ich hatte, als ich die Umfrage durchgeführt habe, versprochen, dass jedes Department ein Sonder-Meeting haben wird, in dem die Ergebnisse allen vorgestellt und erläutert werden. Für meine Kollegen also gleich zwei ganz neue, ungewohnte Erfahrungen: Einerseits überhaupt an einer Befragung teilzunehmen und dann auch noch die Resultate per Beamer und Power Point präsentiert zu bekommen. Das Council hat mittlerweile übrigens einen brandneuen und topmodernen Beamer angeschafft, also kein lästiges Ausleihen bei Lodges und NGO´s mehr.
Als ich die Umfrage entwickelt habe, war ich doch sehr verwundert, dass der C.S. sich nicht einmal danach erkundigt hatte, was ich denn da genau plane und mache und welche Fragen ich überhaupt stellen werde.
Welcher Chef lässt einem externen Berater schon alle Freiheiten der Welt? Nun gut, nachdem alle Versuche, ihn mit ins Boot zu nehmen, kläglich gescheitert sind, habe ich die Ärmel hochgekrempelt und mir gedacht: „Just go for it!“. Dass dieses Vorgehen hätte ganz schön in die Hose gehen können, war mir durchaus bewusst…die Alternative wäre aber gewesen, gar keine Befragung durchzuführen und damit ein wichtiges Element in der Organisationsentwicklung außen vor zu lassen.
Gerade hier wurde mir wieder einmal sehr deutlich, wo die Unterschiede in der Kommunikations- und Arbeitskultur liegen: Es gibt wenig Dialog. Einbahnkommunikation. Kaum Interaktion.
Die Manager und Mitarbeiter sind es gewohnt, Anweisungen und Informationen zu erhalten, nicht zu hinterfragen und ohne Strategie, manchmal für unser Verständnis auch ohne Sinn und Verstand, loszulegen. Es ist kaum eine Planungskultur und damit -kompetenz vorhanden; von Arbeitsprozessen, ToDo-Listen und Zielen ganz zu schweigen. Strategisches und planvolles Vorgehen? Das hat man nie gelernt. Wem soll man hier den Vorwurf machen?
Auch den Managern war erst bewusst, was es heißt, eine Mitarbeiterbefragung durchzuführen, als sie selbst die Fragebögen vor sich hatten und selbst ihre Meinung abgeben sollten. Hier war das Feedback aber von Anfang an sehr positiv. Man war eher gespannt, was in und mit einer Umfrage alles passiert.
Als ich dem C.S. dann die Ergebnisse präsentieren durfte – natürlich – wieder einmal zwischen Tür und Angel, war er doch sehr erstaunt. Er war sogar so erstaunt, dass er auf einmal ZEIT für mich hatte. Mehr als eine Stunde. Er wollte, dass ich ihm alle Folien genau erläutere und ihm die Interpretation vorlege.
Ich konnte ihm genau ansehen, was in ihm vorging und was ihn bewegte: „Was? Das hier soll wirklich das Feedback der Kollegen sein?... Ich hätte nie gedacht, dass viele der kritischen Fragen so negativ beantwortet werden…Ach, und das ist also diese Umfrage, wegen der Du mich die ganze Zeit genervt hast?...Oh, mein Gott!...“
Nach dem ersten Schockmoment hat er sich das Manuskript mit nach Hause genommen und dort noch einmal in Ruhe studiert.
Am nächsten Morgen – Wunder geschehen (zumindest kleine): Der C.S. kam persönlich in mein Büro, um mit mir über die nächsten Schritte zu sprechen. Diese habe ich ihm mehr als gerne erläutert. Er ging sogar so weit, vorzuschlagen, an allen Meetings mit dabei zu sein und als Geschäftsführer die Ergebnisse persönlich zu erläutern, Fragen an die Teams zu stellen und Konsequenzen aus den Ergebnissen zu ziehen. O-Ton: „We need to take action in this and that!“.
Dass ich die nächsten Tage gestrahlt habe, wie ein Honigkuchenpferd, versteht sich von selbst.
Das darauf folgende Management-Meeting war wieder etwas ernüchternder: Die Manager mit den Ergebnissen zu konfrontieren (auch mit ihren eigenen Meinungen) ist eine Sache, dann aber Meinungen zu hören und Maßnahmen zu entwickeln, eine andere.
Gleich drei Schlüsselwörter, bei denen wir Deutschen „Capacity-Builder“ in einem Land wie Sambia, wieder schnell an unsere Grenzen stoßen: Meinungen offen zu äußern – schwierig. Maßnahmen – darüber wird ununterbrochen gesprochen, aber dabei bleibt es meist auch. Und dann „gemeinsam etwas entwickeln“ – das würde nur im offenen Diskurs und Konsens stattfinden können, sich Schwächen eingestehen – in Sambia immer noch fast unmöglich.
Die Manager haben sich mehr oder weniger aus der Affäre gezogen, indem sie mir erläuterten, sie können schließlich nicht ihre offene Meinung zu einer geheimen Umfrage im Rahmen dieses Meetings kundtun. Außerdem brauche man Zeit, die Ergebnisse sacken zu lassen.
Gut. Ich habe daraufhin vorgeschlagen, dass jeder herzlich willkommen sei, mir seine Ideen und Gedanken in Einzelgesprächen mitzuteilen oder diese auf ein Blatt Papier zu notieren und mir bis zum Ende der Woche einzureichen. Leider ist dahingehend nie wieder etwas passiert.
Vor der Präsentation der Umfrage in den Department-Meetings vor der Belegschaft, habe ich mir den Kopf zerbrochen, wie ich die Ergebnisse auch unseren schlecht ausgebildeten Mitarbeitern verständlich rüberbringen kann und wie ich den Managern die Angst nehmen kann, offen aber trotzdem fokussiert mit den Ergebnissen umzugehen. Dabei habe ich einmal die gesamte Palette meines pädagogischen und psychologischen verschütteten Wissens aktivieren müssen.
Die Anspannung seitens der Manager vor dem ersten Department-Meeting war sehr sehr groß. Der Chief war schweißgebadet und hat mehrfach gemurmelt: Oh Gott, oh Gott, oh Gott, was sage ich nur zum schlechten Führungsergebnis?
Ich habe ihn versucht, zu beruhigen und ihm gesagt, alles werde gut laufen.
Und so war es dann auch. Der C.S. hat die Ergebnisse sehr gut erläutert und auch immer wieder beton, dass er sich persönlich um Verbesserungen kümmern wird. Und wie froh er darüber ist, dass alle ihre Meinungen offen geäußert haben Dies kam zumindest sehr glaubwürdig rüber.
Ich hatte im Vorfeld bereits konkrete Verbesserungsvorschläge und Beschwerden einzelner Kollegen gesammelt, diese dem Management vorgestellt und konnte bereits konkrete Schritte präsentieren.
Man darf bei all der Kritik nicht vergessen, dass viele Fragen von der Mehrheit auch sehr positiv beantwortet wurden:
Die Mitarbeiterbindung ist recht hoch, die Mehrzahl der Mitarbeiter ist sehr zufrieden mit ihrem Arbeitsplatz. Sehr viele Kollegen sind stolz, Teil des Councils zu sein und würden das Council als Arbeitgeber durchaus weiterempfehlen.
Auch auf die positiven Resultate sind wir intensiv eingegangen.
Das Meeting ist insgesamt sehr positiv verlaufen. Es kamen viele Verbesserungsvorschläge direkt aus den Reihen der Mitarbeiter. Der C.S. wirkte sehr wach, aufgeschlossen und „willing to change“, was viele umso mehr motiviert hat, aktiv mitzuarbeiten. Nicht selbstverständlich in diesem Kontext.
Hauptansatzpunkte waren:
- - Respekt leben, vor allem den weiblichen und weniger qualifizierten Kollegen gegenüber
- - offenere Kommunikation, mehr Meetings auf Department-Ebene, Informationsfluss
- - Überarbeitung der Conditions of Service (soz. Arbeitsbedingungen und Konditionen in Lokalverwaltungen)
- - transparente Arbeitsbedingungen für alle
Auch der Chief, der vor dem Meeting Blut und Wasser geschwitzt hatte, wirkte erlöst und befreit. Er hat sich im Anschluss mehr als einmal für das tolle Meeting bedankt. Für mich ebenfalls sehr motivierend, bewegend und ein Signal, dass wir auf dem richtigen Weg sind.
Die nächsten zwei Meetings liefen nicht ganz so flüssig, da die Kollegen sehr zurückhalten mit ihren Äußerungen waren. Dafür hat aber der C.S. umso mehr geredet und motiviert.
Aktuell stehen noch zwei weitere Meetings aus, da viele Kollegen in Trainings oder im Urlaub sind. Diese werden – wie soll es anders sein – nächste Woche in allerletzter Minute vor Abreise durchgeführt. Spannend.