Kalomo
Dienstag, 29. Juni 2010
Der Gemeinderat tagt.
John und ich sollen gegen 7 Uhr morgens abgeholt werden, da heute das monatliche „Full Council Meeting“ stattfindet. Als um 8 Uhr immer noch kein Auto in Sicht ist, wird John nervös. Schließlich soll das Meeting um Punkt 8 Uhr starten und für mich wäre es die Gelegenheit, alle Steakholder auf einen Schlag kennen zu lernen.
Um kurz vor 9 hupt es dann endlich vor unserem Haus und wir machen uns mit ein paar anderen Gemeinderatsmitgliedern auf den Weg in das benachbarte Simba. Simba gehört sozusagen zum Einzugsgebiet Kalomos und verfügt über einen großen Konferenzraum, der in etwa so angeordnet ist, wie das englische Unterhaus. Allerdings befindet sich das gesamte Gebäude in fragwürdigem Zustand. Der letzte Anstrich muss Jahrzehnte her sein und die Sitzmöglichkeiten drohen, in Kürze unter der Last des darauf Sitzenden, zusammenzubrechen. Auch die Toiletten könnten gut eine Rundumerneuerung brauchen. Das alles scheint aber niemanden außer John und mir aufzufallen. Und da sich selten jemand für Verschönerungsprojekte verantwortlich fühlt, wird sich so schnell auch nichts ändern.
Die Sitzungsregeln unterscheiden sich sehr, von dem, was wir kennen:
Nach Eröffnung der Sitzung wird ein Gebet vorgetragen. Danach nehmen alle ihre Plätze ein und werden vom „Chairman“, Mr. Siampola, begrüßt.
Alle beteiligten Ratsmitglieder haben im Vorfeld der Sitzung ein dickes Handout erhalten, in dem alle zu debattierenden Entscheidungsvorlagen zusammengefasst sind. Ebenso finden sich Vorschläge einzelner Interessensgemeinschaften, Budgetvorlagen und weitere Informationen in dem Paperwork.
Der Vorsitzende gibt nach ein paar einleitenden Worten vor, über welche Entscheidungsvorlage oder Vorschläge als nächstes diskutiert wird.
Wenn ein Ratsmitglied oder ein Interessenvertreter etwas dazu zu sagen hat, hebt es/er die Hand, wird vom Chairman aufgerufen, steht auf und trägt sehr höflich sein Anliegen/seine Frage vor „Mr. Chairmen, may I say…“ .
Der Chairman gibt das Anliegen ins Plenum, wobei derjenige, der eine Antwort hat, wiederum die Hand hebt, aufgerufen wird, aufsteht und wiederrum sehr höflich seine Antwort in Richtung des Chairman vorträgt. So erfolgt die Kommunikation eigentlich in einem Triangel. Die Beteiligten kommen nie in die Verlegenheit,, sich direkt miteinander auseinanderzusetzen; respektive läuft die Sitzung sehr diszipliniert ab. Allerdings fehlen vernünftige Dialoge und vielleicht auch die ein- oder andere belebende Diskussion.
Manche Mitglieder sind offenbar gewohnt, vor Publikum zu reden und auch sehr gut zu verstehen, andere Murmeln etwas vor sich hin, dessen Inhalt man nur erahnen kann. Wieder andere scheinen sehr engagiert, andere sind deutlich überfordert von dem, was hier passiert. Größten Unmut scheint zu erzeugen, dass vor allem die Interessenvertreter während dieser Sitzung Antworten auf ihre dringlichen Fragen erwarten, diesen Fragen aber eher ausweichend begegnet wird. Aber auch dann kommt es zu keiner wirklichen Auseinandersetzung.
Die aktuell bewegensten Themen sind z.B.
- Impfung und Gesunderhaltung von Nutztieren
- Ausbildung von „Tradional Birth Assistents“, traditionellen Geburtshelferinnen
- Wahlbeteiligung und Registrierung der Landbevölkerung
- HIV/Aids Prävention – Verteilung von Kondomen und Aufklärung
- Fördergelder
- Projekte von VSO, World Vision und anderen Wohltätigkeitsorganisationen
- Kommunikation mit chinesischen Investoren und Arbeitern
- Wasserversorgung und Staudammprojekt
Auch in stilistischen Kleidungsfragen prallen hier Welten aufeinander. So wird gerne mal eine Nylon-Trainingsjacke unter einem Jackett getragen oder die Anzüge fallen ein paar Nummern zu groß oder zu klein aus. Auch scheint es von Geschmack zu zeugen, die angenähten Label der Hersteller an den Anzugsärmeln zu belassen. Andere Teilnehmer sind todschick gekleidet und pflegen durchaus einen westlich orientieren Stil.
Die Sitzung dauert insgesamt 6 Stunden, währenddessen keine Pausen eingelegt werden. Kurz bevor ich das Gefühl habe, ich muss verdursten, kommen zwei Damen hereinspaziert, die Softdrinks und Kekse im Raum verteilen. Auch hier wird streng nach Hierarchie bedient: Nur die Vorsitzenden bekommen zu ihrem Getränk auch ein Glas gereicht und die Kekse sind auf Tellern angeordnet. Alle anderen müssen aus der Flasche trinken und bekommen die Keksschachtel direkt in die Hand gedrückt.
Wenn zwischenzeitlich jemand austreten muss, tut er das mit einer Verbeugung in Richtung Chairman.
Handys scheinen erlaubt zu sein und wenn alle paar Minuten ein lautes Klingeln ertönt, scheint das auch niemanden zu stören.
Um 14 Uhr ist die Sitzung vorbei und wird mit dem Anstimmen der Hymne, gefolgt von einem Dankesgebet beendet.
Danach lädt der Rat zu einem Imbiss in Form von Nchima, dem traditionellen Gericht Sambias, ein.