Mittwoch, 28. Juli 2010

Field Trip - Shit Calculation

Kalomo / Fields



Mittwoch, 28.07.2010


Field Trip nach Hamsala + Hambai


Kalomo setzt sich aus sehr vielen kleinen Dörfchen und Gemeinden zusammen, die in der Regel von einem Chief oder einem Head of the Village geführt werden.


Die Ortschaften sind nur mit einem geländegängigen Fahrzeug über buckelige „Pfade“ und aktuell trockene Wasserläufe zu erreichen.
In den Dörfern selbst ist das Leben sehr traditionell: Frauen heiraten sehr jung und ziehen mit ihrem Mann (sofern das Geld oder Vieh reicht) auf ein kleines Grundstück – meistens zusammen mit den anderen Ehefrauen. Wie bereits in der Tonga-Mann-Geschichte erwähnt, ist es in dieser Region üblich, mehrere Frauen zu heiraten.
Jeder Frau wird auf dem Grundstück ein gleich großes Häuschen zugestanden, so kann leicht an der Anzahl gleicher Häuser die Anzahl der Ehefrauen abgelesen werden. Praktisch.


Sofern es Wasserversorgung gibt, dann nur über Brunnenpumpen, die meist von Hilfsprojekten finanziert und implementiert werden. Hierfür gibt es in unserem Works-Department auch einen Spezialisten, Prosper Mutenga, der sich um die Wasserversorgung ländlicher Gebiete kümmert und hauptsächlich mit World Vision zusammenarbeitet.


Mit Strom werden diese Dörfer nicht mehr versorgt (demnach gibt es hier auch kein Netzwerk mehr).


Fast jedes Jahr bricht während der Regenzeit Cholera aus, da es keine sanitären Anlagen gibt, sondern die Menschen ihr Geschäft in freier Natur verrichten.
Genau hier setzen diverse Aufklärungsprojekte an, in die das Council stark involviert ist.


Es gibt sog. „Facilitator-Workshops“, in denen Councillors (gewählte Repräsentanten oder auch Gemeinderatsmitglieder) aus den Dörfern, Dorfchiefs und Heads of the Villages von Spezialisten von Hilfsorganisationen und Councils geschult werden, die Dorfbewohner über die Notwendigkeit des Toilettenbaus zu informieren. Nur so können zukünftige Choleraepidemien vermieden und ein Ausbruch der Seuche eingedämmt werden.


Nachdem die Workshops abgeschlossen sind, geht es in die Dörfer, um dort praktisch zu schulen. Ich darf bei einer dieser Vorträge dabei sein.


Hier dazu eine kleine Bildergeschichte.
















Um 7 Uhr soll Abfahrt sein. Da aber wieder einmal kein Sprit aufzutreiben ist, verzögert sich unser Start um 1,5 Stunden. Abhilfe schafft das Diesel-Fass, das eigentlich für die Fahrzeuge der Wahlhelfer gekauft wurde.
Ich im Rural Water Supply Auto – endlich geht’s los.















 





Richard, unser Director of Works bei den letzten Instruktionen an die Facilitators (wir würden „Trainer“ sagen), bevor es los in die Villages geht.



















Die beiden Autos, voll mit Trainern und Unterrichtsmaterialien, vor der mind. 4-stündigen Fahrt ins Feld.


















Im Dorfgemeinschaftshaus: Das Dorfoberhaut (Head of the Village) hält eine Ansprache an die Dorfbewohner und erklärt, worum es heute gehen wird. Nach dem Anfangsgebet werden wir alle vorgestellt.


Mit mir zusammen sind 5 Facilitators gekommen (World Vision, Council, Ministry of Health und zwei ansässige Councillors).


Die ganze Veranstaltung läuft auf Tonga ab. Die meisten Dorfbewohner sprechen nur ein paar Brocken Englisch.

















 


 Starke Frauen






















Nachdem sich alle in einem Kreis um die Facilitators versammelt haben, wird eine Karte des Dorfs in den Sand gemalt.






















 


Die Steine sollen alle Häuser entlang der Straßen markieren.


















Mit den gelben Früchten werden die Häuser markiert, die über eine Toilette verfügen. Die Dorfbewohner werden aufgefordert, eine Frucht neben ihr Haus zu legen, sofern eine Toilette vorhanden ist. So erhalten alle Beteiligten einen Überblick, wie viele Toiletten im Dorf existieren (ich kann schon mal verraten: Viele sind es nicht).















 





Nun folgt der interessante Teil: Im „Walk of Shame“ gehen die Dorfbewohner unter Anführung der Facilitators los und suchen ein „Naturklo“ – eine Stelle, wo erst kürzlich ein Geschäft verrichtet wurde.


Dies ist für die Bewohner sehr peinlich, da natürlich niemand zugeben will, dass er oder sie der „Täter“ war und das ganze natürlich auch stinkt…


















Das Häufchen wird auf einer Schaufel zurück in die Kreismitte gebracht.




















Ein Dorfbewohner wird aufgefordert, aus einer Flasche mit sauberem Trinkwasser zur trinken.

Danach führt der Facilitator ein Stöckchen in den Fäkalhaufen und hält dieses Stöckchen in die soeben genutzte Wasserflasche.


Nun fordert er den Dorfbewohner erneut auf, aus der Wasserflasche zu trinken. Dieser ekelt sich natürlich und möchte nicht ein zweites Mal aus der Flasche trinken.

Um den Haufen herum versammeln sich sofort Fliegen. Der Facilitator legt ein Stück Fleisch neben den Haufen und veranschaulicht so, wie die Fliegen zwischen dem Exkrement und dem Fleisch hin und her fliegen.


Die Dorfbewohner finden diesen Versuch äußerst eklig und erkennen so den Zusammenhang zwischen menschlichen Fäkalien und Seuchen.
Der Trainer erklärt, wie es bei einer Überflutung zu Trinkwasserverseuchungen durch Exkremente kommen kann.

Vor allem Cholera ist während der Regenzeit immer wieder ein großes Problem und für viele Todesfälle verantwortlich.
Das Bakterium findet sich vor allem in verunreinigtem Trinkwasser und Nahrungsmitteln und löst im Darm eine Art Osmoseeffekt aus. Im Darm sammeln sich große Mengen Wasser an, die zu stärksten Durchfällen und manchmal auch Erbrechen führen.


Der Körper verliert so innerhalb kürzester Zeit große Mengen Salze und Wasser und dehydriert, wenn nicht sofort behandelt wird, in entsprechender Geschwindigkeit.


Da der infizierte Mensch einiges an Bakterien ausscheidet, kommt es oft zu großen Epidemien, die nur schwer eingedämmt werden können.














 











Shitcalculation: Der Trainer rechnet vor, wie viel Stuhlgang ein Mensch pro Jahr in kg produziert und wie stark eine Region allein durch einen Menschen verseucht werden kann.
















Im Anschluss wir über den Bau von Toiletten diskutiert. Die Dorfbewohner werden zu verbindlichen Maßnahmen motiviert und bekommen Instruktionen, wie mit einfachen Mitteln und ohne viel Geldinvest eine saubere Toilette gebaut werden kann.


Natürlich handelt es sich nicht um Anlagen, wie man sie von zu Hause kennt. Es sind 2-3 Meter tiefe Löcher, umgeben von Elefantengras oder Lehm, die durch eine Holzkonstruktion abgedeckt werden.



















 












































Bevor es dunkel wird, machen wir uns auf die Heimreise Richtung Kalomo.


Nach demokratischer Abstimmung (ich enthalte mich wg. unausreichender Ortskenntnisse), nehmen wir eine „Abkürzung“, die uns am Ende noch eine Stunde länger durch die Pampa fahren lässt. Um 21 Uhr erblicken wir – heftig durchgeschüttelt – die Skyline Kalomos. Zumindest ist der Strom nicht abgeschaltet und ich kann eine heiße Dusche nehmen.