Freitag, 23. Juli 2010

Fahrradkauf und Brain Drain

Kalomo-Lusaka-Kalomo



Freitag, 23.07.2010


Fahrradkauf und Brain Drain

Mit dem ersten Bus um 7 Uhr geht’s ab nach Lusaka – Fahrradkauf in der großen Stadt steht an.

Meine Recherchen, wo ich denn ein gutes Rad bekomme, waren nicht sehr erfolgreich.

Alle Empfehlungen gingen in die gleiche Richtung: Game. Ich würde Game mit Real bei uns zu Hause vergleichen. Ein Markt, in dem es fast alles zu kaufen gibt, aber mit limitierter Sortimentsvielfalt.

Ich habe mit Madwell, einem unserer Fahrer, ausgemacht, dass er mich am Lusaka Busbahnhof abholt und mit mir zusammen zum Shopping Center „Manda-Hill“ fährt, um ein Fahrrad auszusuchen.

Von VSO habe ich ein Budget über 550.000 Kwacha (ca. 85 Euro) zugesichert bekommen, sodass ich mit ein paar aufgestockten Kwacha aus eigener Kasse eigentlich etwas Vernünftiges bekommen sollte.

Mein Sitznachbar im Bus spricht mich nach einer Weile auf Deutsch an, da er gesehen hat, dass ich ein deutschsprachiges Buch am Lesen bin.

Jim, ursprünglich aus Monze in Sambia, hat vier Jahre lang an der RWTH in Aachen studiert und dort seinen Master erlangt.

Seitdem ist er in London bei PWC als Wirtschaftsprüfer angestellt und gerade in Sambia zu Besuch, um der Beerdigung seiner Mutter beizuwohnen.

Der Kölner Karneval, Kölsch und Maastricht sind ihm daher sehr vertraut und wir haben eine kurzweilige Fahrt nach Lusaka.

Klein ist die Welt.


Bei Jim handelt es sich, wie bei so vielen anderen Afrikanern auch, um das Phänomen, das wir als „Brain Drain“ bezeichnen – einen gut ausgebildeten jungen Akademiker, der sein Glück außerhalb seines Landes sucht.

Unter Brain Drain leiden alle Entwicklungsländer, da sie nicht mit den reichen Industriestaaten konkurrieren können. Das Angebot eines vermeintlich besseren Lebens mit vielen Möglichkeiten jenseits von Korruption und Despotie klingt für viele sehr verlockend.

Viele westliche Nationen und mittlerweile auch Russland, werben gezielt Ingenieure und Informatiker ab und bieten unkomplizierte Visaformalitäten und sehr gute Einkommensmöglichkeiten.

Für ein Land wie Sambia hat die Abwanderung von Fachkräften verheerende Auswirkungen. Gerade im medizinischen Bereich (ob Pflegepersonal oder Ärzte – ganz egal), in der IT, im Ingenieurswesen und im Handwerk ist die Zahl derer, die sich westwärts oder Richtung Südafrika orientieren, gravierend. Dies merkt man an allen Ecken und Enden. Kleine und ländliche Hospitäler haben so kaum eine Chance, eine gute Behandlung nach modernen Standards anzubieten. Einen guten Handwerker in Kalomo zu finden, gestaltet sich als fast unmöglich und Netzwerkspezialisten müssen extra von Lusaka aus angefordert werden.

Auch hier befindet sich Afrika in einem Teufelskreis: Unabhängigkeit von auswärtiger Hilfe gelingt nur, wenn Fachkräfte vor Ort die Lücken schließen können. Da es davon aber nur wenige gibt, werden wieder Spezialisten durch die Entwicklungshilfe angefragt.

Alles klappt wie am Schnürchen: Ich komme in Lusaka an und Madwell wartet schon auf mich. Wir fahren zu Game (schockierenderweise wirklich der einzige Laden, in dem es vernünftige Fahrräder zu kaufen gibt!), ich blättere 1 Mio. Kwacha hin und befinde mich seitdem im Besitz eines knallroten Mountain-Bikes.

Im Nachgang muss ich allerdings noch erwähnen, dass ich doch meiner Intuition hätte folgen, und ein schon zusammengebautes Fahrrad hätte kaufen sollen.

Stattdessen bin ich auf den Rat Madwells, ein Rad in einer Box lasse sich besser transportieren, eingegangen und habe nun den Salat:

Niemand weiß, wie das Rad fachgerecht zusammenzubauen ist (ein Handbuch lag der Box leider auch nicht bei) und so muss ich jetzt erst einmal zusehen, wie ich

a) an ein Handbuch,

b) an Werkzeug und

c) an einen handwerklich begabten Menschen komme…


Do you believe in God? Glaubenssachen Part II

Ich weiß nicht, wie der Sambier an sich immer so ruhig bleiben kann.

Mich nervt es auf jeden Fall „wie die Hölle“… diese ständigen Missionierungs- (Rekrutierungsversuche)!

So auch im öffentlichen Nahverkehr:

Man sitzt im Nachtbus, wartet auf die Abfahrt, Leute drängen sich durch den viel zu schmalen Gang, alle sind müde und wollen nur noch nach Hause. Und was passiert?

Ein „Missionar“ kommt in den Bus und fängt an zu predigen. In einer Lautstärke und Intonation (eigentlich ein einziges Gebrülle), dass man ihm am liebsten selbst entgegen schreien würde: „Shut the fu…. hell up!“.

Diese Brüll-Predigten dauern oft über eine halbe Stunde. Die Männer (Frauen habe ich bisher noch nicht erlebt) Brüllen sich ein Zeug zusammen, dass es schon fast weh tut und am Ende wird nachdrücklich um Geld oder die Telefonnummer gebeten!

Ich habe während solcher Ereignisse selbst schon öfter ein Stoßgebet gen Himmel versandt und dem lieben Gott für meine schalldichten Kopfhörer gedankt (und ihn auch gebeten, einen kleinen tödlichen Blitz vom Himmel zu schicken).

Der Bus kann natürlich erst abfahren, wenn dieser Mensch fertig mit Missionieren ist, was oft zu Verspätungen führt. Da es sich aber um irgendetwas Christliches handelt und man vielleicht Angst hat, in die Hölle zu kommen, schreitet niemand ein, auch wenn es alle nervt.

So. Jetzt bin ich´s los. Friede sei mit Euch.