Kalomo
Donnerstag, 08.07.2010
Pain in the As, oder: Christiane nervt
Ich stehe gleich morgens wieder vor dem Büro des Council Secretary. Immer in der Hoffnung, er hat ein wenig Zeit für mich. Ich bin nun seit fast zwei Wochen in Kalomo und hatte immer noch nicht die Gelegenheit, mit meinem direkten Vorgesetzten zu sprechen. Langsam komme ich mir vor, wie der Teufel, der hinter der armen Seele her rennt…
Da ich nicht dafür geschaffen bin, über eine Woche unnütz rumzusitzen, habe ich bereits alles Mögliche an Materialien, Organigrammen, Entwürfen und Präsentationen zum Council und im Speziellen zu HR zusammengetragen und interessiert studiert. So habe ich zumindest schon mal einen guten Überblick über das Geschehen hier. Was mir ein wenig spanisch vorkommt: Die Konzepte und Entwürfe klingen alle wie aus einem HR-Management-Lehrbuch.
Und tatsächlich: Mein Chef gewährt mir eine Audienz! Er freue sich riesig, dass ich endlich da bin und dem Council dabei helfe, HR Strukturen aufzubauen und es wäre grandios, wenn ich vor allem beim HR-Audit und der Etablierung einer HR Policy unterstützen würde.
Schön. Dafür bin ich hier.
Es wurmt mich aber immer noch ein wenig, dass ich diejenige bin, die alleine die Initiative ergreifen muss, nur, um mich ein erstes Mal mit meinem Vorgesetzten, der mich schließlich von VSO angefordert hat, zu unterhalten.
Was wäre, wenn ich nicht den proaktiven Part übernommen hätte? Hm.
Nach den ersten Gesprächen mit anderen Volunteers wird mir aber schnell klar: das scheint hier leider die Regel zu sein.
Herr Mungalu wünscht sich (nachdem ich ihm meine Ideen präsentiert habe…), dass ich mir vor allem in folgenden Gebieten etwas einfallen lasse:
- Verbesserung des Rekruiting: Das Council hat große Probleme, gute Leute zu finden. So bleiben vakante Positionen für Monate, manchmal für Jahre unbesetzt. Außerdem existiert eigentlich gar kein Rekrutierungssystem. So weiß er gar nicht genau, ob er die richtigen Mitarbeiter auf den Positionen sitzen hat…
- Etablierung eines Trainings- und Karrieremanagements: Es gibt kein Karriereentwicklungs- oder Trainingsplan für Mitarbeiter. Einerseits sendet man Mitarbeiter in teure Trainings, das Wissen wird aber nicht in die Teams multipliziert. Die meisten Mitarbeiter verlassen oft sogar innerhalb kürzester Zeit nach dem Training das Unternehmen. In Sambia ist nichts wichtiger, als ein Zertifikat in der Hand zu halten, um den nächsten Karriereschritt machen zu können.
Andererseits gibt es kaum Trainingsangebote für Mitarbeiter, auch wenn fehlende Kenntnisse evident sind.
- Mitarbeitermotivation: Mein Chef wünscht sich ein motiviertes, engagiertes Team mit einer Ownership-Mentalität. Das wird, nachdem ich mir zwei Wochen lang einen Überblick verschaffen durfte und viel beobachtet habe, die größte Herausforderung…
- Appraisal: Es gibt kein Bewertungssystem, also bitte, liebe Christiane, entwickle uns doch eins…
- Und die Personalakten: Sind diese vollständig? Haben wir einen Überblick über Urlaubs- und Krankheitstage? Und was ist mit Mitarbeitern, die tagelang nicht auftauchen? Und hat jeder Mitarbeiter eine Job-Description? Auch hier eine Baustelle.
- Leadership: Herr Mungalu wundert sich auch darüber, dass seine Führungskräfte so wenig Einfluss auf die Teams nehmen. Er habe manchmal das Gefühl, die meisten wollen oder können gar nicht führen. Ob ich hier wohl auch unterstützen könne. Es wäre doch schon, wenn ich hierzu vielleicht Workshops anbieten könnte.
- Ach ja, Disziplinarmaßnahme. Es wäre toll, wenn man auch hier was einführen könnte. Aktuell wisse er nicht genau, wie er seine Mitarbeiter, vor allem die Low Performer, Händeln soll.
Hätte uns nicht ein Telefonat unterbrochen, ihm wären sicherlich noch einige andere To Do´s eingefallen.
Hört sich für mich auf jeden Fall nach einer spannenden Herausforderung an.
Ich bin gespannt, was sich tatsächlich umsetzen lässt. Wir verabschieden uns mit einem Commitment: Ich kann auf seine volle Unterstützung zählen und soll umsetzen, was notwendig ist. Ich wiederrum verabrede mit ihm, bis Mittwoch ein Konzept vorzulegen, wie ich mir ein HR-Management in seinem Council vorstelle, bzw. wie ich vorgehen möchte.
Nachdem das Kapitel „Gespräch mit dem Chef“ abgehakt ist, muss ich mich als nächstes dringend mit dem Chief of Administration, „meinem Chief“ Herrn Mutambekwa, unterhalten. Er ist „ the man in charge“ für HR und mein Hauptansprechpartner für die nächsten Wochen…
Am Nachmittag fahre ich mit dem Chief und zwei anderen Managern des Districts nach Zimba, um erstens mich vorzustellen und zweitens die Mitarbeiter im Rahmen einer nationalen Kampagne über Prävention von HIV und Aids aufzuklären.
Die Art und Weise, wie Herr Mutambu vom Ministry of Health dieses doch sehr schwierige Thema vermittelt, beeindruckt mich sehr. Man darf nicht vergessen, dass es sich bei dem Großteil des Council-Teams um einfache Arbeiter handelt, die sich bisher gar nicht oder nur wenig mit der Übertragung der Viruserkrankung beschäftigt haben.
Hinzu kommt die schwierige Stellung der Frau in der sambischen Gesellschaft, die in der Regel bzgl. der Sexualpraktiken und Umtriebigkeiten ihres Mannes wenig mitzureden hat.
Mr. Mutambu nähert sich den Angestellten äußerst sensibel und bezieht sie auf eine sehr angenehme Art und Weise mit ein, ohne dass jemand Angst haben muss, sein Gesicht zu verlieren.
Sehr motivierend nach den letzten paar doch eher aufreibenden Tagen im Council.