Dienstag, 6. Juli 2010

Glaubenssachen und Transportprobleme

Livingstone – Kalomo

Dienstag, 06.07.2010

Glaubenssachen und Transportprobleme

„Good morning! Are you ready for the second coming of Jesus Christ?“




Ich sitze in einem Minibus und warte, bis es endlich los geht nach Kalomo.
Eine ältere Frau stellt sich in den Bus und brüllt uns diesen Satz entgegen – abgesandt von welcher Gemeinde auch immer.

Dies löst, vor allem bei den jungen Sambiern, Amüsement und Diskussionen aus. Eine Antwort bleibt uns die alte Dame schuldig: Wann wird Jesus zurückkommen und wo wird dies sein?

In Sambia, wie in anderen Teilen Afrikas hat mit der Missionierungswelle ein wilder Wettlauf um Seelen begonnen: Es gibt unzählige Freikirchen, Sekten, Erweckungsbewegungen, Erlösungsbewegungen, Jesusgemeinden und Prediger, die alle ihr bestes tun, neue Schäfchen zu gewinnen – hier den Überblick zu behalten ist fast unmöglich. „Glaubensbusiness“ nennt dies der ein oder andere sambische Kritiker, den es natürlich auch gibt.

Eine der allerersten Fragen, die mir hier von fast allen Sambiern gestellt wird, ist: „Which Church are you going?“.
Dass ich gar keiner Kirche angehörte, irritiert und löst bei vielen Unverständnis aus.
Sonntags in die Kirche zu gehen, ist ein soziales Happening. Da mein ugandischer Mitbewohner John auch sehr religiös ist, werde ich mich an einem der nächsten Sonntage auch mal in eine katholische Messe begeben. Schließlich muss man alles mal mitgemacht haben…

Ich ahnte es gestern schon, als ich versucht habe, mir ein Rückfahrticket zu kaufen… Meine Lieblingsgesellschaft, die blauen Family-Busse, war komplett ausgebucht. Nur noch eine etwas zwielichtige Agentur konnte mir ein Busticket anbieten. „Yes, we´ve got only one seat left.“… und dieser Platz wird gerade mir angeboten. Klar.
Auch klar, dass der Bus, der um 8:30 Uhr einfährt, vollkommen überbucht ist. Der Fahrer tritt nur noch das Gaspedal durch, als er 20 Leute an der Haltestelle warten sieht. Der Busveranstalter zuckt mit den Schultern und meint nur: „Well, this guys are very bad organized. How could I know this bus has no seat left.”. Ja, so einfach ist das.
Die Sambier, wie einige Touris, regen sich fürchterlich über die Unzuverlässigkeit dieser Gesellschaft auf. Nutzt aber alles nichts. Irgendwie müssen wir aus Livingstone raus kommen.

Einzige Möglichkeit, die uns der Chef der Gesellschaft anbietet: Einsteigen in den Minibus dort drüben und los geht’s.
Schön wärs gewesen: Wir sitzen wie die Hühner geschlagene zwei Stunden in diesem kleinen Gefährt, bis die ersten Passagiere anfangen, nachzuhaken, warum wir denn nicht losfahren. Die Antwort: Der Busfahrer ist noch nicht da.
Aha. Eine Stunde später (ich bin völligst relaxt, da ich in der Tat damit gerechnet habe, heute ein wenig länger unterwegs zu sein) springt der Fahrer hinters Lenkrad und fährt erst in die falsche Richtung los. Wir biegen irgendwo rechts ab, wir halten an, es wird wild gehupt und gerufen, aber nichts passiert.

Ich habe das Glück, neben zwei Sambiern zu sitzen, die mich über das Geschehen aufklären: Wir suchen nach Schwarzmarkt-Diesel. Der Busfahrer sei nur bereit, mit billigem Sprit Fahrt aufzunehmen, da er von der Gesellschaft zu schlecht bezahlt wird. Aaaah ja.
Wir fahren noch ein paar Mal die Hauptstraße hoch und runter, doch nichts zu machen. Es ist kein Diesel aufzutreiben.

Also fährt der Fahrer uns wieder zurück zur Bushalte, wir müssen alle aussteigen und weiter geht die Diskussion, wer denn jetzt Geld zurückerstattet bzw. wie die Masse vom Fleck kommt.
Nein, mein Geld bekomme ich noch nicht zurück, denn schließlich stehe dort drüben ein neuer Minibus, der uns in Richtung Lusaka bringen soll.
Sitzen also alle wieder samt unserer Bagage im nächsten Bus und warten, dass es los geht. Bis dieser Fahrer in der Tür steht und uns bittet, wieder auszusteigen – es sei denn, wir sind alle bereit, nochmal 30 Pin extra zu zahlen. Nein, sind wir nicht – also wieder raus aus dem Bus.
Jetzt ist der Chef auch weich gekocht und zahlt uns das Geld zurück – er ist mit seinem Latein am Ende.

Ich wandere mit meinem Gepäck die Straße wieder hinunter und versuche mein Glück bei ein paar anderen Gesellschaften.
Eine einzige Möglichkeit scheint es noch zu geben: Die Kanadier und Italiener, die ich schon zuvor in den anderen Bussen kennen gelernt habe, haben eine Gesellschaft aufgetan, die einen Zusatz-Minibus organisieren kann. Wann es denn losgeht? – Any time from now! Endlich höre ich auch einmal diesen typischen Satz für Afrika.
Ich soll ihn heute und in den nächsten Tagen noch öfter hören. Kurzer Rückblick: 8:30 Uhr sollte es los gehen, jetzt ist es 16:00 Uhr und wir sitzen immer noch in Livingstone – voller Hoffnung, diesen Ort heute noch verlassen zu können.
Ich habe nur 1,5 Stunden Fahrt vor mir. Alle anderen müssen aber noch nach Lusaka – und diese Fahrt dauert 6-7 Sunden…Bei Dunkelheit auf Sambias Straßen fahren ist kein Spass, dass weiß hier jeder…


Und tatsächlich: ein paar Minuten später taucht ein weißer Minibus auf, wir steigen alle ein, los geht’s – und auch noch in die richtige Richtung. Dieser Fahrer scheint bessere Kontakte zum Schwarzmarkt zu haben: Um die Ecke kommen zwei Jungs mit großen Kanistern gewetzt, die unseren Tank auffüllen. Eineinhalb Stunden später bin ich in Kalomo und kann sogar noch Wäsche waschen (per Hand, versteht sich).